Mit Umsatz, Publikumsaufmarsch, Gewinn und VIP-Präsenz kann es der Lehner Cup in Sursee natürlich nicht mit dem Spengler Cup in Davos aufnehmen. Aber das Turnier bot wieder einmal mindestens so gute Unterhaltung wie der grosse Bruder oben in den Bergen. Und die besseren Transfergerüchte sowieso.
Zur Unterhaltung: Beinahe hätte der SCB zum ersten Mal mit Trainer Jussi Tapola etwas gewonnen. Den Triumph beim Lehner Cup verpassten die Berner nur, weil Zug mit ebenfalls zwei Siegen das bessere Torverhältnis hatte. Trotzdem freute sich SCB-Obmann Marc Lüthi sehr, ja, er war fast schon begeistert.
Und das kommt so: Selbst im Zeitalter der Digitalisierung gehört das Matchprogramm zur Eishockey-Kultur. Den verehrten Matchbesucherinnen und -besuchern wird ein bedrucktes Papier mit Nummern und Namen der Spieler in die Hand gedrückt. So war das auch in Sursee und beim SCB waren gar 29 Namen fein säuberlich aufgeführt. Aber als die Berner gegen das tschechische Tabellenmittelfeld-Team Budejovice antraten, war gut ein Drittel des Teams anonym: die Namen nicht im Matchprogramm und nicht auf dem Dress.
Nur noch einer der acht unter Vertrag stehenden SCB-Ausländer (Alexandr Yakovenko) kam zum Einsatz und von vielen SCB-Spielern hatten selbst Hardcore-Fans oder Marc Lüthi noch nie gehört: Kevin Zürcher, Joel Marchon, Florian Schenk, Lenn Zehnder, Levon Moser, Darren Boss, Rolands Naglis oder Kimo Bont. Alles Nachwuchsspieler. Vielleicht ist das ja die SCB-Aufstellung der Saison 2031/32. Der einzige «Saurier» hütete das Tor: der 35-jährige Sandro Zurkirchen.
Und ein Wunder geschah: Mit einem halben Junioren-Team bodigte der SCB die Tschechen (3:2), die am Vortag Zug alles abverlangt hatten (2:3). «Hesch gseh, wie di Giele gsecklet sy?» («Hast du gesehen, wie die Jungs gerannt sind?»), rühmte Marc Lüthi ein ums andere Mal. Wohlwissend, dass der SCB seit 2019 auch in die Krise geraten ist, weil junge Spieler nie eine Chance bekamen, zu «seckeln».
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer: Die «Giele» können «seckeln» wie sie wollen: Der SCB wird nach dem «Junioren-Wunder» von Sursee nicht zum Ausbildungsklub. Und eigentlich hat in Sursee ja nicht das Resultat des Tages interessiert. Sondern die Frage: Wie löst der SCB nun sein «ewiges» Goalie-Problem nach der Absage von HCD-Schlussmann Sandro Aeschlimann?
Seit Leonardo Genoni nach der Meisterfeier von 2019 den SCB verlassen hat, treibt das Goalie-Chaos beim SCB Ober-, Unter- und Nebensportchefs um. Eine Lösung haben sie nach wie vor nicht gefunden.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass unter SCB-Pfarrerstöchtern die angestrebte Lösung des Goalie-Problems in Sursee diskutiert wird, während ein paar Meter weiter Berner Fans Gottéron-Schmähgesänge einüben. Das grösste sportliche SCB-Problem – die Suche nach dem richtigen letzten Mann – hängt nämlich vom Rivalen ab.
Sandro Aeschlimann zieht einen «Rentenvertrag» in Davos der Herausforderung SCB vor. War das für den SCB eine krachende Transferniederlage? Natürlich wird ein Manager oder ein Sportchef, der bei Sinnen ist, nie zugeben, dass er in einem Spielerhandel den Kürzeren gezogen hat. Das ist beim SCB jetzt nicht anders. Aber bei Lichte besehen ist es eigentlich keine Niederlage.
Es gab beim SCB intern immer gewichtige Stimmen, die von einem Aeschlimann-Transfer abgeraten haben und die Offerte ist dann auch nicht nachgebessert worden, weder beim Salär noch bei der Laufzeit. Die zentralen Argumente: Erstens sei Aeschlimann nach wie vor kein Meistergoalie, zweitens sei keineswegs klar, ob er das Gewicht des SCB-Trikots tragen könne und drittens biete der Torhütermarkt einige Optionen.
Unter anderem laufen im nächsten Frühjahr die Verträge von Akira Schmid (Las Vegas) und Ludovic Waeber (Kloten) aus. Und bereits 2027 werden weitere gute Torhüter frei: zum Beispiel Luganos Joren van Pottelberghe, Ambris Philip Wüthrich oder Lausannes Kevin Pasche.
Inzwischen haben die SCB-Bürogeneräle die Lösung auf ihren Transfer-Kartentischen skizziert. Sie ist logisch, richtig, erfolgsversprechend, hängt von Gottéron ab und heisst Ludovic Waeber. Sein Vertrag in Kloten läuft im nächsten Frühjahr aus. Das Ziel der SCB-Strategie ist also klar: Ludovic Waeber statt Sandro Aeschlimann als neue Nummer 1.
Wie gut ist Waeber? Bis im Sommer 2023 war er nie der Belastung einer Nummer 1 ausgesetzt und galt bei den ZSC Lions als talentiertester Goalie der Liga, der noch nie die Nummer 1 war. Vorletzte Saison bekam er eine Chance in der NHL-Organisation von Florida, musste sein Dasein allerdings in den Farmteam-Ligen fristen. Aber: Er biss sich durch, kehrte nicht vorzeitig heim. Und nun hat er letzte Saison in Kloten bewiesen, dass er sehr wohl zur Nummer 1 taugt.
Waeber war ein wichtiger Grund für die formidable Saison der Klotener mit einer Steigerung von Rang 13 auf Rang 7 und einer Reduktion der Anzahl Gegentreffer in der Qualifikation von 177 auf 149. Von seinem kämpferischen Stil her mahnt er ein wenig an Lukas Flüeler oder Renato Tosio und wie Leonardo Genoni liest er das Spiel sehr gut.
Und damit kommt Gottéron gleich doppelt ins Spiel: Erstens ist Ludovic «Ludo» Waeber bei Gottéron ausgebildet worden. Zweitens sehen ihn nicht nur in Freiburg Romantiker als logischen Nachfolger von Reto Berra bei Gottéron. Auf den ersten Blick geht der Zeitplan auf: In einem Jahr läuft Berras Vertrag aus, im Januar wird er 39 Jahre alt – Zeit für den Ruhestand. Mit Waeber im besten Alter (28) und Loic Galley (23) hätte Gottéron übernächste Saison das perfekte Goalie-Duo.
Aber es gibt eigentlich für Reto Berra keinen Grund, im Frühjahr 2026 in Pension zu gehen. Der freundliche Titan war letzte Saison mit einer fabelhaften Playoff-Fangquote von 93,30 Prozent wahrscheinlich so gut wie seit der Silber-WM von 2013 nie mehr. Und hat nicht Dominik Hasek Detroit im Alter von 43 Jahren zum Stanley Cup gehext? Na also.
Die Ausgangslage ist einfach: Wenn Gottéron mit Reto Berra um ein weiteres Jahr verlängert, steigen die SCB-Chancen für die Verpflichtung von Ludovic Waeber im Quadrat. Zumal der SCB, anders als bei Sandro Aeschlimann, einen hoch dotierten Mehrjahresvertrag offerieren wird. Mit geringem Risiko: Bei Waeber ist der NHL-Traum – anders als bei Akira Schmid – ausgeträumt und ein Wechsel aus einem laufenden Vertrag heraus nach Nordamerika ist nicht mehr zu befürchten.
Ludovic Waebers Agent Gaëtan Voisard bestätigt das SCB-Interesse: «Aber wir sind auch mit anderen Klubs im Gespräch.» Ist der SCB Favorit? Das könne er nicht beurteilen. «Wir sind noch nicht in intensive Verhandlungen eingetreten …» Nur so viel steht fest: Wechselt Waeber nicht zum SCB, dann wird es – anders als bei Aeschlimann – eine krachende Transferniederlage sein.
Vorerst aber muss der SCB das Goalie-Chaos in der neuen Saison regeln. Trainer Jussi Tapola hat vier Torhüter zur Verfügung, aber nur eine politische und keine sportliche Nummer 1. Der finnische Bandengeneral stellt klar: «Adam Reideborn ist unsere Nummer 1.» Etwas anderes ist gar nicht möglich: Wer eine Ausländerlizenz für den Torhüter verschwendet, muss ihn schon aus politischen Gründen zur Nummer 1 machen. Sportlich war Reideborn bisher beim SCB keine taugliche Nummer 1. Er hat in den Playoffs von 2024 und 2025 kläglich versagt.
Trainer Tapola sagt zwar, um die Nummer 2 sei der Konkurrenzkampf offen. Aber das sind Sonntagsreden. Routinier Sandro Zurkirchen ist als Nummer 2 ebenfalls gesetzt. Die beiden jungen Talente Andri Henauer (23) und Christof von Burg (24) haben keinerlei NL-Erfahrung und der SCB kann es sich nicht leisten, mit jungen Torhütern zu experimentieren. Der SCB-Trainer verspricht, man werde die beiden jungen Goalies aufmerksam beobachten. Auch im Training. Will heissen: beobachten, nicht einsetzen.
Henauer kann mit der Situation leben: Er kommt beim Partnerteam Basel zu viel Spielpraxis und sein Vertrag läuft Ende Saison aus. Gibt ihm der SCB keine Chance, kann er sich auf dem Goalie-Markt umsehen. Von Burg hingegen ist in eine Sackgasse geraten. Er hat seine Position als Nummer 1 in Winterthur bis 2027 für das Abenteuer SCB aufgegeben und kann seine Tauglichkeit nur im Training beweisen. Nach wie vor hat Untersportchef Diego Piceci keine Platzierungsmöglichkeit in der Swiss League gefunden.
Immerhin darf Christof von Burg am Mittwoch beim Testspiel in Basel mit seinem SCB-Debüt rechnen. Aber dann darf er nicht den schwächeren Eindruck als Henauer hinterlassen. SCB-Romantiker seufzen: Ach, waren das noch Zeiten, als der SCB nicht vier, sondern nur einen, aber einen richtigen Goalie hatte: René Kiener, Jürg Jäggi, Renato Tosio, Marco Bührer, Leonardo Genoni …
Damals hatten sie auch nur einen Sportchef
Nein, hat er nicht. Auch schon während der Saison hatte Chris Osgood mehr Einsätze (okay, nur zwei) und bessere Stats, in den Playoffs war Osgood Hasek weit überlegen (18 zu 4 Einsätze, 1.55 GAA zu 2.91, .930 zu .888)